Kinder, Küche – Chefin?

Wie vier Frauen den Sprung in die Selbstständigkeit wagten und wie das Gründerzentrum dabei half

Wissen Sie, was ein erfolgreiches Unternehmen ist? „Eines, bei dem sich die Angestellten am Kaffeeautomaten treffen“, sagt Dr. Katharina Schmid und schickt auch gleich die Begründung hinterher: „Die reden dort übers Geschäft.“ Kommunikation ist für die Straubinger Pathologin und Chefin von acht Mitarbeitern von zentraler Bedeutung, wenn es um Unternehmensführung geht. Denn das schafft ein positives Klima im Betrieb und das wiederum macht das Unternehmen erfolg-reich. Katharina Schmid ist eine von vier Frauen, die den Sprung in die Selbstständigkeit wagten und bei denen das Gründerzentrum im Industriegebiet Hafen Straubing-Sand als Sprungbrett diente. Drei davon haben dort ihr Unternehmen gegründet, eine nahm an PlanB teil, einem Gründerwettbewerb für Bio-ökonomie-Start-Ups.
Es ist eine muntere Gruppe, die sich im Erdgeschoss des Gründerzentrums trifft, um von ihrem Weg in die Selbstständigkeit zu erzählen – selbstbewusst und ohne Scheu vor offenen Worten. Dr. Katharina Schmid ist Ärztin und habilitierte Pathologin und hat sich vor zehn Jahren mit einer Pathologiepraxis selbstständig gemacht, sie ist Buchautorin, gründete 2016 das Institut für Lebensfreude und Gesundheit und bietet seither auch Gesundheitsberatungen, Workshops und Vorträge an. Yvonne Liebl, gelernte Pharmazeutisch-Technische Assis-tentin (PTA) und Ernährungsberaterin, hat in Waging am See eine Kochschule und einen Lieferservice für Biolebensmittel. Brigitte Sterr ist gemeinsam mit ihrem Mann Geschäftsführerin einer Consultingfirma mit Standorten in Straubing und Pilsting. Und Lena-Maria Bredl betreibt mit ihrem Partner in Straubing einen Cateringservice.

Unternehmersein: an Schulen nicht gelehrt

In Deutschland einen Betrieb zu gründen, sei schwierig, sagt Brigitte Sterr. Noch schwerer aber sei es für Frauen. „Unternehmersein wird an der Schule nicht vorgestellt“, sagt die gelernte Kauffrau, deshalb wählen die meisten Frauen ein Leben als Arbeiterin oder Angestellte. Das spiegelt sich auch in den Firmen, die im Gründerzentrum ihren Anfang nehmen. Knapp 20 von den mittlerweile rund 100 Existenzgründern, die in zwei Jahrzehnten aus dem Gründerzentrum hervorgingen, waren Frauen. Momentan belegen dort lediglich zwei Frauen Räume – von insgesamt 44 Unternehmen.
Auch die Frauen selbst sind an dieser Situation nicht ganz un-schuldig, könnte man jetzt böse sagen. Denn nach wie vor sind ihnen zwei Dinge im Leben wichtig: Kin-der und Sicherheit – Dinge, die sich offensichtlich nicht so leicht mit dem Chefsein vereinbaren lassen.

An oberster Stelle: Sicherheit und Familie

„Es ist statistisch belegt, dass Sicherheit an erster Stelle steht“, sagt Lena-Maria Bredl. Sie selbst hat den Sprung in die Selbstständigkeit deshalb im Moment auch nur halb gemacht und arbeitet weiterhin auch als Angestellte. Ähnlich war es auch bei Yvonne Liebl. Sie hat zwölf Jahre lang in dieser Zwitterstellung gearbeitet und ist erst seit zwei Jahren völlig selbstständig. Auch Brigitte Sterr kam erst nach und nach im Unternehmertum an. Sie arbeitete während der Elternzeit zunächst in der Firma ihres Mannes mit, bevor sie gleichberechtigte Geschäftsführerin in der Firma wurde. Und Katharina Schmid ließ sich von ihrer Arbeitsstelle an einer Universität erst mal ein Jahr beurlauben, während sie ihren eigenen Betrieb aufbaute.
Die Ärztin ist auch ein Beispiel dafür, dass das Thema Familie in den Berufswünschen von Frauen eine mindestens ebenso große Rolle spielt wie die Sicherheit. Sie gründete ihr Unternehmen erst, als ihre Tochter erwachsen war und auf eigenen Füßen stehen konnte.
Auch Brigitte Sterr betont: „Familie steht an oberster Stelle.“ Sie sei nicht selbstständig geworden, „um Millionärin“ zu werden, sagt sie, sondern um freier und flexibler zu sein – für ihre Kinder: „Am ersten Schultag und am ersten Kita-Tag konnten mein Mann und ich dabei sein“ – ein Luxus, den sich nicht alle Eltern leisten können. Diese Flexibilität billigt sie auch ihren inzwischen 20 Angestellten zu. „Fast alle haben Kinder“, sagt Brigitte Sterr. Und sie wisse aus ihrer eigenen Erfahrung, wie schwierig es ist, Familie mit der Arbeitszeit zu vereinbaren. „Deshalb bevorzuge ich bei der Einstellung auch Mamas“, betont Brigitte Sterr, „die haben es grundsätzlich schwerer am Arbeitsmarkt.“
So macht sich das Frausein auch im Chefinnensein bemerkbar.„Frauen führen anders“, sagt Bri-gitte Sterr und lacht, „wir rufen nicht gleich ,Achtung!‘, wenn sich eine Frau im gebärfähigen Alter bewirbt.“ Mehr Kommunikation und mehr Empathie sind für Katharina Schmid die Zauberworte im Umgang mit den Mitarbeitern: „Ich verwende viel Zeit auf die Personalführung, wir reden viel miteinander und ich mache mir viele Gedanken, wie es den Mitarbeitern geht.“ Außenstehende wundern sich, dass ihr Betrieb „wie ein Uhrwerk läuft“ –sie nicht. Weil sich die Mitarbeiter wertgeschätzt fühlen.
Dass es aber für die Familie auch Einschränkungen gibt, verhehlen die Frauen nicht. Denn als Selbstständiger kann nur der auf Dauer Erfolg haben, der sich richtig reinhängt – das gilt vor allem für die Anfangszeit und für Männer wie für Frauen. „Im ersten Jahr“, sagt Katharina Schmid, „habe ich jeden Tag 16 Stunden gearbeitet.“ Und Yvonne Liebl ergänzt: „Durch meine Selbstständigkeit bin ich plötzlich als Familienmanagerin weggefallen.“ Wer da auf Unverständnis in der Partnerschaft stößt, kommt schnell an die Grenzen.

Gründerzentrum: einziehen und loslegen

Weil man in der Gründungsphase sowieso mit unzähligen Aufgaben konfrontiert ist, kann die Unterstützung im Gründerzentrum den Start in die Selbstständigkeit deutlich erleichtern. Wer hier einzieht, arbeitet in einem repräsentativen Gebäude, es gibt einen Empfang, der immer besetzt ist, genügend Parkplätze vor der Haustür, der Briefkasten ist montiert, Telefon-und Internet-Anschluss sind verlegt, auch das gemeinsame Marketing kann genutzt werden. „Wir konnten einfach einziehen, loslegen und uns auf die Arbeit konzentrieren“, lobt Brigitte Sterr im Rück-blick. Und es gibt noch weitere Annehmlichkeiten: einen Sicherheitsdienst beispielsweise oder Schneeräumdienst und Putzkräfte. Oder die Rufumleitung, wenn man selbst in der Kantine zum Essen ist.
Dazu kommt noch der Kontakt zu den anderen Gründern. „Das ist wie ein Marktplatz“, sagt Brigitte Sterr, „hier kann man ganz ungezwungen beim Mittagessen ins Gespräch kommen.“ Informationsaustausch und Zusammenarbeit werden groß-geschrieben. So entstehen Netzwer-ke, die auch für die Zeit nach dem Gründerzentrum noch Bestand haben.
Besonders gut kommt auch die umfassende Beratungsarbeit in allen Gründungsphasen an: Die Hans-Lindner-Stiftung ist monatlich vor Ort und es gibt beispielsweise auch Kontakt zu Banken. Auch aus dem Plan B-Gründerwettbewerb gehen Kooperationen her-vor, sagt Yvonne Liebl, die hier schon teilgenommen hat: „Davon profitiere ich noch heute.“

Tipp: „ein guter Steuerberater“

Welche Ratschläge haben die vier Unternehmerinnen für Frauen, die den Sprung in die Selbstständigkeit wagen wollen?
Sie sollten sich auf jeden Fall einen „Plan B“ überlegen, sagt Katharina Schmid. Sie sollten sich trauen, aber nicht blauäugig und überstürzt handeln, sagt Brigitte Sterr, und sich viele Berater ins Boot holen, vor allem einen guten Steuerberater und eine Unternehmensberatung, die ein „ehrliches Feedback“ geben. Sie sollten Vertrauen in die eigene Kraft haben und sagen „ich schaffe das“, sagt Yvonne Liebl: „Nichts ist schlimmer als den verpassten Gelegenheiten nachzutrauern.“
Der Schritt in die Selbstständigkeit sei ein Schritt zur Selbstverwirklichung, sagt Lena-Maria Bredl. Frauen bekämen ein neues Selbstverständnis, wenn sie merkten, sie können in der Gesellschaft was bewegen: „Sie können ein guter Arbeitgeber sein, sie können ein positives Wertesystem vermitteln, sie können Vorbild sein.“
Langsam werde es leichter für Frauen, ein Unternehmen zu grün-den, ist Lena-Maria Bredl überzeugt. Die Digitalisierung beispielsweise ermögliche auch die Arbeit im Homeoffice, was es einfacher mache, Beruf und Familie unter einen Hut zu bekommen. Zudem ändere sich gerade die Arbeitswelt: Kommunikative Fähigkeiten seien immer gefragter und auch auf Work-Life-Balance wird mehr Wert gelegt – ein klarer Vorteil für Frauen, die nicht vorhaben, sich zwischen Beruf und Familie zu entscheiden, sondern beides wollen.

 

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